Die Privatnutzung betrieblicher Fahrräder durch Arbeitnehmer*innen – die problematische Verwaltungsauffassung

Online wird bereits interessiert über den gleichlautenden Ländererlass vom 13.03.2019 bezüglich der Fahrradüberlassung an Arbeitnehmer*innen diskutiert. Dieser Erlass nimmt zu der zum 01.01.2019 geänderten Rechtslage zur Nutzungsüberlassung von Fahrrädern Stellung. Ich fasse das Schreiben im Folgenden kurz zusammen:

Aussagen des Ländererlasses:

Die Überlassung betrieblicher Fahrräder an Arbeitnehmer*innen zur Privatnutzung ist mit einem Prozent der unverbindlichen Preisempfehlung pro Monat zu versteuern. Dies gilt nicht, wenn die Überlassung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgt, dann ist der Nutzungsvorteil steuerfrei. Diese Regelung gilt insgesamt nicht für S-Pedelecs (sogenannte „E-Bikes“), also Elektroräder mit Versicherungskennzeichen – diese werden wie Kraftfahrzeuge besteuert.

Hinweise meinerseits zur Einordnung:

Steht ein Fahrrad nur für Dienstfahrten zur Verfügung, liegt die Überlassung verständlicherweise im überwiegenden Interesse des Betriebes und bildet damit keinen Arbeitslohn, sodass in diesem Fall kein eventuell zu besteuernder Vorteil besteht. Um dies nachzuweisen, empfiehlt es sich für die Arbeitgeberseite, ein schriftliches Verbot zur Privatnutzung auszusprechen. Nutzen Arbeitnehmerinnen das Fahrrad dennoch privat, hat diese Privatnutzung keinen Arbeitslohn zur Folgem, sie bliebe also unbesteuert. Anders als bei PKW lässt sich das Nutzungsverbot schlecht überwachen, ein Verstoß kann allerdings für Ärger von Arbeitgeberinnenseite bedeuten.

Dagegen stellt der Vorteil der Erlaubnis zur Privatnutzung eines Fahrrads als Teil des Arbeitslohns  grundsätzlich steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Dieser wird nach § 8 Absatz 1 Satz 10 EStG bemessen – also durch Verwaltungserlass. Die Entscheidung der Verwaltung wirkt vor dem Hintergrund, dass sich die Verwaltung ansonsten sehr für eine Gleichbehandlung von Angestellten und Selbständigen einsetzt, ein wenig willkürlich – denn für Selbständige ist die private Fahrradnutzung nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 6 EStG zwar nicht steuerfrei, wird aber mit null Euro bewertet, was einer generellen Steuerfreiheit gleichkommt.

Dieser Arbeitslohn ist nur unter der Voraussetzung von § 3 Nr. 37 EStG steuerfrei. Hiernach liegt Steuerfreiheit dann vor, wenn die Überlassung zusätzlich zum „ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ anfällt. – Wie bitte? – Dies bedeutet meiner Auffassung nach (das Verwaltungsschreiben schweigt sich zu Details aus), dass es eine Lohnerhöhung geben muss, die in der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung des Fahrrads besteht. Da diese Rechtslage erst ab 2019 gilt, erstreckt sich die Steuerfreiheit nur auf die ab dem 01.01.2019 erfolgten Lohnerhöhungen.

Ist die Besteuerung der Fahrradnutzung bei Nutzungsüberlassung verfassungswidrig?

Bei der Steuerfreiheit der privaten Fahrradnutzung bzw. der künstlichen Nichtbewertung einer Privatnutzung bei Selbständigen handelt es sich um eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips, also dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Der Staat kann, um Lenkungsziele zu erreichen (hier: Förderung des Radverkehrs) relativ frei entscheiden, was er begünstigt. Allerdings sind dem dann Grenzen gesetzt, wenn es zu einer Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte kommt.

In dieser Konstellation sehe ich einen potentiellen Verstoß gegen Verfassungsrecht in Gestalt des Gleichheitsgrundsatzes. Wesentlich Gleiches darf nach Artikel 3 des Grundgesetzes nicht ungleich behandelt werden. Während im vorliegenden Fall Arbeitnehmer*innen nur dann in den Genuss der Steuerfreiheit der Privatnutzung eines nicht privaten Fahrrads kommen, wenn dieses ab 2019 überlassen wird, gilt dies für Selbständige auch bei älteren Rädern und ohne weitere Voraussetzungen.

Vor dem Hintergrund, dass von gesetzgeberischer Seite in der Vergangenheit immer wieder darauf geachtet wurde, Angestellte mit Selbständigen gleichzusetzen (zum Beispiel gilt die Entfernungs- / Pendlerpauschale für alle gleichermaßen), stellt sich die Frage, mit welcher Begründung hier eine Ungleichbehandlung vorliegt. Eine ausreichende Begründung habe ich bislang noch nicht ausfindig machen können.

Dies soll heißen: Es ist möglich, dass die Verwaltung mit dem entsprechenden Erlass ihre Kompetenzen überschritten hat. Meiner Auffassung nach muss die Verwaltung den Wert der Fahrrad-Privatnutzung für Arbeitnehmer*innen ebenso mit pauschal 0 Euro ansetzen, wie es für Selbständige bereits im Gesetz steht, um eine unzulässige Diskriminierung zu vermeiden.

Sollte jemand Lust haben, ein entsprechendes Einspruchsverfahren mit mir zu führen, würde ich mich über eine Nachricht freuen.